Twint auf Abwegen: Zahlungslinks

Die Schweizer Finanzapp-Lösung ist eine Erfolgsgeschichte. Seit ihrer Lancierung und der überraschenden und erfolgreichen Fusion mit der damaligen Konkurrenz Paymit im Jahr 2016 ging’s nur noch nach oben. Über 5 Millionen Benutzer, unzählige Onlineshops, Hofläden und Opferstöcke, die beliebteste Marke der Schweiz. Ein Erfolg reiht sich an den anderen.

Jetzt kann es eigentlich nur noch abwärts gehen. Tatsächlich scheinen sich neue Funktionen in den Apps weg von Nützlichem hin zu Gamifizierung und Rabattaktionsshop zu entwickeln. Das könnte man ja noch ignorieren.

Aber diesen Monat lancierte Twint Zahlungslinks. Und bewegt sich damit auf sehr dünnes Eis: Derartige Links sind Einfallstor für die meisten Scam- und Phishingversuche auf Plattformen wie Ricardo und Tutti. Regelmässig versenden Betrüger gefälschte Links und versuchen damit an Logininformationen zu kommen. Und sind dabei immer und immer wieder erfolgreich. Und die betroffenen Personen erhalten danach kaum Unterstützung von den Finanzinstituten.

Das Bundesamt für Cybersicherheit BACS verzeichnet jährlich zehntausende gemeldete Phishingversuche.

Twint scheint mit den Zahlungslinks da jetzt auch mitmachen zu wollen und legt schon mal wie erwartet vor: Auf der entsprechenden Webseite erscheint das Wort „Sicherheit“ oder „Schutz“ kein einziges Mal. Phishing wird ironischerweise nur in einer Warnmeldung ganz oben erwähnt.

Ich fürchte damit handelt sich Twint unnötig massive Probleme ein und könnte auf der Marken-Beliebtheitsskala schon bald wieder von irgendwelchen Pommes-Chips-Produzenten überholt werden.

Milchbuch vs. Postfinance E-Cockpit

Indexseite Milchbu.ch

Seit ein paar Jahren trage ich die Idee für eine Webapplikation im persönlichen Finanzbereich mit mir herum. 2010 registrierte ich dafür die Domänen milchbu.ch und milchbuch.ch.

Der Motivation ist einfach: Ich habe keine Ahnung, wofür ich mein Geld genau ausgebe. Meine Ausgaben von Hand mit einer App zu erfassen ist mir zu mühsam, nie ziehe ich das länger als eine halbe Stunde konsequent durch. Und die Postfinance erledigt dank meinem relativ konsequenten Einsatz der Postcard diese Arbeit bereits für mich. Zusätzlich lasse ich mir bereits seit 2004 meine Kontauszüge im XML-Format liefern, immer mit dem Gedanken irgendwann mal etwas aus den Daten zu machen.

Als ich dann noch A. dabei erwischte, ihre ausgedruckten Kontoauszüge mit Farbstiften zu bearbeiten, wurde mir klar, dass das Milchbuch grosses Potential hätte. Ich würde es programmieren, tausende von Benutzern haben, Premiumfunktionen verkaufen, Ruhm und Geld ernten und es schlussendlich in einem etwas unsauberen Deal für einen Millionenbetrag an eine Bank verscherbeln.

Soweit der Plan.

Mit der Implementation haperte es noch etwas, ich hatte viele Notizen und Skizzen, aber zum Programmieren kam ich kaum.

Und dann lancierte die Postfinance im April 2012 das E-Cockpit und nahm mir die ganze Arbeit ab.

Die Funktionalität ist ziemlich dieselbe, wie ich sie mir vorgestellt habe: Statistiken, automatische Kategorisierung, Aufteilen von Bargeldbezügen, Trends über längere Zeiträume. Sogar die gleiche Graphenbibliothek hätte ich eingesetzt.

Fundamentaler Unterschied ist nur die Kategorisierung: Wo Milchbuch zu Beginn mühsam lernen hätte müssen, welches Konto zu welcher Sparte gehört (Coop verkauft Lebensmittel, Mobility gehört zur Mobilität, Kitag ist Unterhaltung…), kann die Postfinance auf interne Daten zurückgreifen und schaffte es, in meinem Fall über 90% der Transaktionen automatisch zu kategorisieren.

Einen weiteren Vorteil spielt die Postfinance nicht ganz aus: Die Kontoauszüge hätten im Milchbuch von Hand importiert werden müssen. Das E-Cockpit hingegen erhält die Transaktionen direkt geliefert, braucht aber komischerweise mehrere Tage dazu.

Dafür hätte das Milchbuch ein grösseres Potential gehabt: Nichts hätte mich davon abgehalten, auch andere Bankdaten als nur diejenigen der Postfinance zu importieren. Eine Premiumfunktion wäre die Verwaltung von mehreren Konten gewesen, eine andere die Möglichkeit, Vereinsfinanzen darüber zu erledigen.

Nun verabschiede ich mich von meiner Idee ohne grosse Trauer: Das E-Cockpit erfüllt meine persönlichen Ansprüche vollständig, mein Problem ist damit gelöst.

Und ganz umsonst war die Arbeit nicht: Zum einen wurde meine Idee validiert. Und zum anderen lernte ich einmal mehr die Lektion, dass Ideen wertlos sind. Nur die Ausführung zählt.