Der 100. Flug

20080113_selbstportratAm vergangenen Sonntag, 20. Januar 2008 war es soweit: Ich habe meinen 100. Gleitschirmflug absolviert.

Einfach war es nicht: Währenddem andere einen schönen Skitag auf der kleinen Scheidegg verbrachten, stampften Andreas und ich zur gleichen Zeit ebenfalls auf der kleinen Scheidegg herum, fanden aber keinen Startplatz der sicher genug und nicht ab-windig war. Enttäuscht mussten wir nach 3h die Suche abbrechen* und fuhren mit der Bahn zu Tal.

Wir entschlossen uns wenigstens einen Abendflug vom Schiltgrat (Oberhalb Mürrens) zu machen, den ganzen Tag über konnten wir schon andere Piloten dort am Fliegen beobachten. Bis wir endlich nach 1600 oben waren, fing es natürlich auch dort an stark zu winden. Glücklicherweise trafen wir zwei Kollegen die uns die Schirme festhielten währenddem wir auf einen günstigen Moment zum abheben warteten. (Fliegen war ein Muss: Mittlerweile hatte die Sesselbahn Feierabend.)

Schlussendlich konnten wir endlich starten und den hart erkämpften Flug geniessen. Ich konnte mich sehr gut in der Höhe halten und flog über Mürren hinweg entlang der Felskante Richtung Lauterbrunnen. Leider hatte ich keinen Fotoapparat zur Hand, es sah spektakulär aus: Die meisten Berge im Schatten, die Gipfel von der Abendsonne hell erleuchtet… Fliegen ist schöner.

Ich freue mich bereits auf den Frühling, im Moment ist das Fliegen wegen der schwachen Thermik nicht so interessant. Und in wenigen Monaten leiste ich mir den nächsten Gleitschirm, ein etwas sportlerischeres Gerät als mein alter Flugbus.

  • = Ich würde auch gerne so schöne GPS-Tracklogs zeigen wie bei Habi, aber ich kämpfe noch mit den verschiedenen Formaten, Anzeigefehler, Bedienung meines Gerätes etc. Und irgendwie habe ich gerade keine Lust die ganze Zeit die XML-Logs von Hand zu bearbeiten. Irgendwann, aber nicht heute…

Runter kommen sie fast immer

Das alte Fliegersprichwort ist nicht ganz korrekt wie ich heute herausgefunden habe. Es geht nicht zwangsläufig abwärts mit mir. Aber dazu später mehr.

Die etwas starken Winde bewogen unseren Fluglehrer heute dazu von Flügen über den Schwarzsee zu verzichten und wir begaben uns des morgens nach Mürren wo wir mit Seil- und Sesselbahn zum Startplatz auf dem Schiltgrat begaben. Ich breitete freudig meinen neuen alten Schirm aus und wenig später gings los. Starten war auf der leicht abschüssigen schneebedeckten Piste nicht so ein Problem, nur ich brauchte zwei Anläufe: Beim ersten Mal lief ich zuwenig schnell und der Schirm fiel hinter mir wieder zu Boden. (Grmbl, ein vollbesetztes Restaurant sah dabei zu…) Von dort flogen wir zwischen den Skifahrern hindurch einen spektakulären Flug knapp 1200m tiefer zurück zum Landeplatz bei der Talstation der Luftseilbahn.
20070317_landeplatz_stechelberg2.jpg
Das Tal besteht quasi aus zwei senkrechten Felswänden, dort ist das Fluggefühl etwas eingeschränkter als bei den letzten Flügen über dem Thunersee. Es war spannend, aber auch ziemlich ruhig da die erwarteten Aufwinde in der Thermik ausblieben. Zuerst rechneten wir noch mit einem stündigen Flug, geblieben waren davon ca. 20 Minuten.

Für den zweiten Flug entschlossen wir uns zurück nach Interlaken zu fahren und dort wieder vom Luegisbrüggli zu starten. Dort blies der Wind im Moment angenehm zügig und so war das Starten für dieses Mal kein Problem. Die Thermik war ziemlich stark und so konnte ich zum ersten Mal etwas aktiv an Höhe gewinnen indem ich mich am Berg hochhangelte. Leider war ich nicht ganz alleine am Himmel und ich entschloss mich bald einmal wieder Richtung Landeplatz zu fliegen. Die Landung war ok, der jetzt etwas stärkere Talwind machte das Einschätzen des Landeplatzes etwas komplizierter: Man bleibt streckenweise quasi in der Luft stehen und kaum dreht man sich weg vom Wind, bläst einen dieser quer übers Feld. Und das heisst hier: In Richtung Schiessstand wo zu dem Zeitpunkt scharf geschossen wurde.

20070317_startplatz_luegibrueggli.jpg

Beim zweiten Start vom Luegibrueggli war der Aufwind etwas schwächer, dafür war am Grund der Talwind in der Zwischenzeit sehr stark geworden. Jürg fand dass wir dennoch fliegen können, die Gefahr im See zu landen war in dieser Situation gering, wir mussten uns eher Sorgen machen erschossen zu werden.
Das war allerdings dann mal für 20 Minuten nicht mein Hauptproblem: Ich kam nämlich gar nicht erst runter. Die Thermik war so stark dass ich schon bald nach dem Start weiter über dem Startplatz meine Kreise drehte und dabei kaum Höhe verlor. Für gewöhnlich reicht Kurvenfliegen einfach aus um hinunter zu kommen, aber bei diesen Aufwinden blieb ich mit diesem Manöver nur mehr oder weniger auf der gleichen Höhe. Zum Glück gibt es in diesen Situationen Fluglehrer die per Funk Ratschlag geben. Und zum Glück hat meiner letzte Woche schon mit mir Ohren einklappen geübt: Indem ich künstlich die Gleitschirmfläche verkleinere, verliere ich viel schneller als normal an Höhe. Mehrere Minuten musste ich die äussersten Flügelenden mit den sogenannten A-Leinen herunterziehen um endlich in Bodennähe zu gelangen. Als ich endlich mal unten war, erschwerten turbulente Bodenwinde eine saubere Landung: Wieder hängte ich in der Luft, wenige Meter über Grund, kaum vorwärtskommend, der Schiessstand unangenehm nah.

20070317_landeplatz_lehn2.jpg

Die endgültige Landung erfolgte dann doch sanfter als erwartet. Aber selbst die alten Hasen vor Ort fanden dass sie noch selten derartige Windverhältnisse im Lehn gesehen hätten. Einer der Deltaflieger hatte weniger Glück als ich, kam aber mit Materialschäden davon. Zeit und Wind war in diesem Moment schon soweit fortgeschritten dass wir diskussionlos einpackten und uns auf den Rückweg machten.

Die Erfahrung war trotzdem gut, derartig an Höhe gewonnen hatte ich zuvor noch nie. Und ich kann jetzt die Angst der Piloten vor Cumulonimbus-Wolken verstehen: Aus solchen Thermikverhältnissen lebendig herauszukommen, grenzt an ein Wunder.